Grossmutter, weisses Fenster, zwei Kieselsteine…
… das sind nicht Stichworte eines Rätsels oder absurden Gedichts, sondern Merkmale und -worte zur Erkennung von Vögeln, die wir an der ornithologischen Exkursion im Dorf beobachten konnten. |
Letztes Jahr hatte uns Yves Thomet die gefiederten Bewohner im Wald nahegebracht, dieses Mal sahen und hörten wir uns unter seiner Leitung im Siedlungsgebiet um.
Treffpunkt war der Eingang beim Schloss, wo wir in den riesigen Platanen wohl gut ein Dutzend Stare beobachteten, die in den vielen Baumhöhlen der ehrwürdigen Bäume ihre Nester eingerichtet hatten und fleissig Futter heranbrachten.
Unter dem Schlossturmdach schlüpfte eine Dohle in eine kleine Öffnung. Sie gehört zu den Rabenvögeln und unterscheidet sich durch den grauen Hinterkopf und weissen Augenring von der Alpendohle, die rote Beine und einen gelben Schnabel hat und uns im Gebirge begegnet.
Dann hörten wir Grossmutter: Dies ist das Merkwort für den dreisilbigen Gesang der hübschen beigefarbigen Türkentaube, die von einem Dach her rief. Als diese Taubenart in den 1960er-Jahren in der Schweiz auftauchte, gab es bei ersten Sichtungen noch einen Ansturm von Ornitholog:innen, die den seltenen Vogel sehen wollten. Unterdessen stören sich Leute an dem wiederholten «du-duu-du»-Balzruf der inzwischen häufig anzutreffenden Taube.
Ein ähnlicher, jedoch fünfsilbiger Ruf kennzeichnet die grössere graue Ringeltaube mit ihrem weissen Kragen. Ein «Poulet» nennt Yves den grossen Vogel, der die längste Zeit auf einem Dachfirst in der Nähe hockte. «Chume ufe Hugo» wäre die Eselsbrücke zum Ruf dieser Taube, die beim Balzflug in die Höhe steigt, um sich dann fallen zu lassen.
Auf einem anderen Dachfirst machte sich ein Hausrotschwanz bemerkbar. Sein bereits frühmorgens zu hörender gepresster Gesang enthält ein Knirschen, wie wenn jemand Kaffee schlürft. Kennzeichnend für den Rotschwanz ist auch sein aufgeregtes Wippen oder Knicksen.
Ebenfalls rund ums Haus nicht fehlen darf der Haussperling mit seinem Tschilpen. Da die schön gezeichneten Spatzen meist in grösseren Gruppen zu sehen sind, werden sie fälschlicherweise als sehr häufig angesehen. Allerdings geht der Bestand zurück, da diesen und anderen Höhlenbrütern wegen der modernen Gebäude ohne Nischen die Brutplätze und wegen der versiegelten Flächen, rationellen Erntemethoden oder mit Pestiziden behandelten Feldern und Gärten die Nahrung fehlen.
Zuzunehmen scheint demgegenüber der Bestand der Mönchsgrasmücke, die sich dank ihrer Anpassungsfähigkeit verbreitet. Interessant ist die Mönchsgrasmücke auch, da ein Teil der Vögel im Winter nicht mehr in den Süden zieht, sondern neuerdings gegen Nordwesten zu den Britischen Inseln. Den graubraunen Vogel mit seiner schwarzen (Männchen) oder braunen (Weibchen und Jungtiere) Kappe konnten wir an der Exkursion nicht sehen, dafür aber mehrmals aus Gebüschen seinen flötenden Gesang hören, auch kurz seinen Warnruf, der tönt als ob zwei Kieselsteine aufeinandergeschlagen würden.
Was der Ornitholog:innenkilometer genannt wird, erfuhren wir auch an dieser Exkursion: Für die rund zwanzig Meter vom Schlosshof zur Strasse brauchten wir ob all der Beobachtungen und lebendigen Erzählungen von Yves wohl eine Dreiviertelstunde. Beim Ausgang schauten wir noch zu den vom Forum Jegenstorf eingerichteten Mauerseglerkästen an der Schlossscheune hoch, sahen aber ausser den paar Spatzen, die sich dort breit gemacht hatten, keine Vögel. Die Mauersegler mit ihren typischen sichelförmigen Flügeln waren noch über dem Schlossturm am Kreisen, so wie sie sowieso ihr ganzes Leben in der Luft verbringen, ausser wenn sie ihr Brutgeschäft erledigen. Wegen ihrer verkürzten Beine könnten die Vögel gar nicht mehr vom Boden auffliegen, weshalb ihre Nester vorzugsweise an Türmen und hohen Gebäuden zu finden sind, von wo sie sich direkt in ihr Lebenselement stürzen können.
Bei Halten beim Kindergarten Dählerstock, beim Gemeindehaus und in einem verwunschenen kleinen Privatgarten wies uns Yves darauf hin, wie wichtig naturbelassene und renaturierte Flächen auch für die Vögel sind, die dort Insekten- und Samennahrung, Nistgelegenheiten und Deckung finden.
Weiter ging’s Richtung Stampfimatt, wo über die Strasse auf einem hohen Laubbaum ein Elsternnest zu sehen war, das in typischer Weise mit einem Deckel von Zweigen versehen ist. Ein Unterschied zu Rabennestern, die oben offen bleiben.
Dann kam das weisse Fenster, das sichere Unterscheidungsmerkmal von Mehl- und Rauchschwalben: Den weissen Bürzel auf dem Rücken trägt nur die Mehlschwalbe, die unter Hausdächern in fast geschlossenen Nestern brütet. Die Rauchschwalbe, die meist in Ställen und Scheunen in halboffenen Nestern brütet, ist an den langen Spiessen ihres gegabelten Schwanzes und ihrer braunen Brust zu erkennen. Bei Schlechtwetter kann sie auch im Stall Insekten jagen, was von Kühen und Bauern geschätzt wird. Beide Schwalbenarten, wobei in der Mehrzahl Rauchschwalben, konnten wir beim Bauernhaus an der Zuzwilstrasse beobachen, wie sie in schnellem Tempo gewandt zu ihren Nestern flogen. Dabei handelt es sich um menschengemachte Kunstnester – den Schwalben fehlen heutzutage meist die offenen Sand- und Lehmflächen, von denen sie ihr Baumaterial selber beziehen könnten.
Nach der Rückkehr zum Schloss konnten Unentwegte in einer Zusatzschlaufe u. a. noch eine Bachstelze in ihrem Wellenflug, eine singende Wacholderdrossel, sich verfolgende Stockenten und am Himmel einen Schwarzmilan und einen Mäusebussard erblicken.
Insgesamt kamen so auf dieser Exkursion 25 Arten zusammen, die in diesem Bericht nicht alle beschrieben werden konnten:
Amsel, Bachstelze, Blaumeise, Buchfink, Dohle, Elster, Girlitz, Graureiher, Hausrotschwanz, Haussperling, Kohlmeise, Mauersegler, Mäusebussard, Mehlschwalbe, Mönchsgrasmücke, Rabenkrähe, Rauchschwalbe, Ringeltaube, Rotmilan, Schwarzmilan, Star, Stieglitz (Distelfink), Stockente, Türkentaube, Wacholderdrossel.




- Wer sich näher zu den verschiedenen Vogelarten informieren möchte, kann dies über die prägnanten Artenporträts der Vogelwarte tun: https://www.vogelwarte.ch/de/voegel-der-schweiz/
- Vogelstimmen lassen sich leicht und spielerisch über die Website von BirdLife nachhören und lernen: https://bird-song.ch/