Autor: Susanna König

Ein wahres Silbere-Waldmärchen

Ein wahres Silbere-Waldmärchen

Ein kleiner Bautrupp traf sich an einem Winternachmittag im Silbere-Wald, zehn Nasen vom Forum Jegenstorf, von der alten Häsin bis zum Neuling, vom flinken Primeler bis zum fleissigen Ruheständler.


Wer wollte, packte die Schaufel, grub Seelein und klatschte die lehmige Erde des Waldbächleins zu kleinen Dämmen auf. Wessen Stiefel zu Hause geblieben waren, blieb im trockenen Laub, suchte die Äste der gefällten Rottannen zusammen und schichtete sie in der Lücke des Waldrandes auf. Was sich da im Frühling in den neuen Seelein und hinter den Dämmen tummeln wird, soll ungestört sein von allzu vieler Menschenneugier.

Still war es nicht um dieses Forumsgrüpplein. Was, wie, wo am besten bauen, musste erörtert sein und zum Zvieri geplaudert und gelacht werden. Nur ein zu spät gekommener Unermüdlicher arbeitet die Pause durch, sodass am Ende des Nachmittags eine ganze Kette von kleinen Tümpeln den Bach hoch entstanden waren. Nun würde das Wasser nicht mehr eilig in der Kanalisation verschwinden, sondern im Wald verweilen und allerlei Waldbewohnenden zu Gute kommen.

Es war Zeit, den Rücken zu strecken und einen Blick in die Höhe zu tun. Riesige Eichen, Erlen, eine Ulme. Im besten Alter, nach hundert bis zweihundert Jahren kann eine Eiche sehr viel einbringen. Noch kostbarer wird sie, wenn sie bis zu ihrem Lebensende stehen bleiben darf und als Totholz für allerlei Käfer, Pilze und Organismen einen neuen Lebensraum bildet. So trägt sie zum Kreislauf bei, wo alles ineinander greift, sich ergänzt und an dem auch wir Menschen teilhaben und von dem wir leben.

Ein klein wenig konnten wir mit unserem Tun zu diesem Kreislauf beitragen, verliessen vergnügt den Wald und zogen beschwingt nach Hause.

PS: Inzwischen wurde bereits ein Fröschchen im neue Tümpel-Zuhause entdeckt. Wer weiss, vielleicht ein verwunschener Prinz…

Nachschrift:
DeinBaum.ch: Wer dazu beitragen will, alte, monumentale und seltene Bäume im Wald zu erhalten, kann eine Patenschaft für einen selbst ausgewählten Baum übernehmen oder verschenken.

Mehr Fachwissen, Wissenswertes zur Silbere und zu Renaturierung im Wald findet ihr im Beitrag zum letzten Silbere-Einsatz vom 26.2.2022.

Rar und kostbar: Goldparmäne, Schafsnase, Alant…

Rar und kostbar: Goldparmäne, Schafsnase, Alant…

Wenn man von Jegenstorf oder Münchringen Richtung Mattstetten schaut, sieht man von Weitem mehrere Baumreihen die sich über einen Hügel hinauf erstrecken. Es sind 300 Apfelbäume, je zwei der gleichen Sorte, die alle im Kanton Bern heimisch sind.

Sie gehören dem Landwirt Ruedi Scheidegger, der den Mitgliedern und Gästen des Forum Jegenstorf auf einer Führung am 18. Juni 2022 zu einem Projekt des Bundes mehr erzählt. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes des Bundesamtes für Landwirtschaft zur Förderung der Vielfalt in der Ernährung und Landwirtschaft (NAP-PGREL) von 1999 hat dieses Obsterhaltungsprojekt das Ziel, die genetische Vielfalt selten gewordener Apfelsorten aus dem Kanton Bern zu erhalten und nachhaltig zu nutzen.
2007 machte der Bund einen Aufruf, um alte Sorten, z. T. mit unbekannten Namen zu finden. Ruedi Scheidegger, der als Fachmann für Apfelbäumen sein Wissen auch in der Ausbildung weitergibt, veredelte im Jahr 2015 Schneideräpfel mit den 150 alten Sorten.
Er berichtet uns über die Entwicklung des Projektes.

Pflege

Die Apfelbäume brauchen einen durchlässigen, nicht sandigen Boden und vertragen keine Staunässe. Da die Früchte, die geerntet werden, zu 80 % aus Wasser bestehen und die Äste und Blätter gemulcht werden und also im Obstgarten verbleiben, ist es keine Problem, dass viel Bäume beieinander stehen. Wichtig ist nicht nur, dass sie genügend Nährstoffe erhalten, sondern, dass diese auch im Gleichgewicht sind. Einen fehlenden Nährstoff durch Dünger in zu grosser Menge zuzusetzen kann so auch schaden. Gezielte Bodenproben helfen dabei, das richtige Gleichgewicht zu finden.

Bis jetzt wurden gegen Schädlinge nur biologische Mittel angewandt.
Ein Problem sind die Mäuse, die durch das Anfressen der Wurzeln, den jungen Bäumen sehr zusetzen können. Drahtkörbe um die Wurzeln schützen vor Mausfrass. Sitzstangen für Greifvögel, Vogelnistkästen, Stein- und Asthaufen fördern die natürlichen Gegenspieler der Schermaus und tragen gleichzeitig zu einer vielfältigen Landschaft mit hoher Biodiversität bei. Gegen Blattläuse helfen auf natürliche Weise die Marienkäferlarven.
Gegen den Apfelwickler sind über 2000 Duftstäbchen mit Pheromonen in die Bäume gehängt. Dadurch werden die Männchen von den Weibchen abgelenkt und so deren Eier nicht befruchtet.
Die Bäume wurden noch nie gegossen, die ungewöhnliche Trockenheit kann aber dazu führen, dass mehr unreife Äpfel herunterfallen als normal.
Wichtig ist es, die Apfelbäume von Anfang an zu schneiden, damit sich die Äste verdicken und stabil und tragfähig für grosse Früchte werden. Etwa in fünfzehn Jahren werden sie die gewünschte Form erreicht haben. Dabei tragen langsam wachsende Bäume schneller Früchte. Werden die untersten Äste nach unten gebunden damit sie waagrecht statt in die Höhe wachsen, simuliert das beim Baum Alter und er produziert mehr Nachkommen/Früchte, um sich genetisch zu erhalten.

In mindestens 50 km Entfernung, im Fall des Kanton Bern in der Ostschweiz, gibt es zur Absicherung bei einem Verlust der Bäume in Mattstetten eine gleiche Apfelplantage noch einmal.

Rückversicherung für die Zukunft

Laufend werden die einzelnen Sorten von Bund, den Kantonen und weiteren Organisationen nach genetischen Daten und Eigenschaften untersucht. Vier bekannte Referenzsorten dienen bezüglich Blütezeit, Reifezeit und Krankheitsanfälligkeit usw. zum Vergleich mit den alten und unbekannten Sorten.

Beteiligt ist auch ProSpecieRara, die Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren, die sich dafür einsetzt, eine sichere und reichhaltige Basis für unsere Ernährung zu bewahren und an zukünftige Generationen weiterzugeben.
Die vielfältigen Eigenschaften der alten Pflanzensorten und Tierrassen sind gleichbedeutend mit einem breiten Genpool, auf den bei Bedarf zurückgegriffen werden kann. Dies ist umso wichtiger, da der Hauptteil der heutigen Welternährung auf beängstigend wenigen Arten, Sorten und Rassen basiert. Spezielle Eigenschaften können wieder gefragt sein wegen plötzlich auftretender Krankheiten, Klimaveränderungen oder neuen Konsumentenbedürfnissen. Eine trockenheitstolerante Kartoffel könnte beispielsweise bald eine wichtige Rolle spielen.

Auch das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, Poma Culta und Agroscope arbeiten mit am Nationalen Aktionsplan. Im Biobereich soll das Sortiment mit der Genetik alter Sorten bereichert und weiterentwickelt werden hin zu robusten Sorten, welche eine dauerhafte Krankheitstoleranz aufweisen. Sie sollen qualitativ hochwertig, geschmacklich vielfältig und lagerfähig sein sowie über gute agronomische Eigenschaften verfügen.

Und wir?

Die Teilnehmenden der Führung brachten verschiedene wirtschaftliche Bedingungen und politische Fragen zur Sprache: Die Ausbildung der jungen Obstbauern/Landwirte hinkt zum Teil den neusten Erkenntnissen hintennach; die Produzenten von Saatgut verkaufen zugleich auch Pestizide und Dünger; die Landwirte müssen sich an nicht mehr aktuelle Vorgaben halten; Patente verhindern den Zugang aller zu genetischen Ressourcen.

In der Schweiz gibt es über 1000 Apfelsorten. In den Läden finden wir aber nur ein sehr kleines Sortiment. Die Sortenvielfalt ist nicht gewährleistet. Das liegt auch an uns Konsument:innen. Weil wir nicht gewohnt oder nicht gewillt sind z. B. kleine, verschieden grosse, gefleckte, mit Schorf überzogenen Früchte und Gemüse zu kaufen. Und wenn wir einen Obstbaum für den Garten suchen, nicht eine alte resistente Sorte wählen, die mit einem Hochstamm auch Tieren einen wertvollen Lebensraum bieten.

Von Ruedi Scheidegger haben wir gelernt: Ein Gemisch aus vielen verschiedenen Apfelsorten gibt den besten Most.

Weitere Informationen

Nach der Führung in der Apfelplantage ging’s zum gemütlichen Brätlen und Austauschen…
Neue Wildhecke beim Schloss – Natur und Kultur

Neue Wildhecke beim Schloss – Natur und Kultur

Auf der grossen Weide unterhalb des Schlossparks entlang der Münchringenstrasse stand seit vielen Jahren eine geschnittene Hainbuchenhecke. Mit der Zeit hatte das Holz den Maschendrahtzaun überwachsen und war nicht mehr davon zu trennen.
Der Unterhalt wurde immer schwieriger und aufwendiger. Eine Lösung musste gesucht werden. Das Forum Jegenstorf erfuhr davon, hatte eine Idee und stiess beim Stiftungsrat des Schlosses auf offene Ohren. Dieses prägende Strukturelement sollte in ökologisch wertvollerer Form ersetzt werden.

Gemeinsam umsetzen
An einer Begehung mit Urs Gasche (Präsident Stiftungsrat Schloss Jegenstorf), Karen Wiedmer, (Stiftungsverwaltung), Sandra Lyoth (Gemeinderätin, Hochbau), Claudia Burri und Jörg Mülchi (Hochbauverwaltung), Hanspeter Junker (Pächter), Susanna König (Forum Jegenstorf ) zeigte Beat Haller (Forum Jegenstorf und Kommission Tiefbau und Betriebe Jegenstorf) Möglichkeiten auf, um die Situation zu verbessern. Varianten wurden besprochen und Entscheide getroffen.

Anstelle der schmalen geschnittenen Hecke aus nur einer Gehölzart, sollte neu eine vielfältige Hecke, 3 m breit, 100 m lang, mit einem beidseitigen Saumstreifen von je 3 m, als neuer Lebensraum für Vögel, Insekten, Kleintiere und Amphibien entstehen. Das Forum Jegenstorf bot an, das Pflanzen der Sträucher und die Pflegearbeiten in den ersten Jahren auszuführen, der Landwirt würde einen Teil seines Pachtlandes zur Verfügung stellen und die Saumgesellschaften auf beiden Seiten der Hecke pflegen. Die Stiftung Schoss Jegenstorf und die Gemeinde sollten die Pflanzung finanzieren.
Nach weiteren Abklärungen stimmten alle Beteiligten dem Projekt zu.

Das Forum Jegenstorf pflanzt
Am 21. November 2020 war es soweit. Ausgerüstet mit Gartenhandschuhen, Corona-Schutzmasken und allerlei Werkzeug versammelten sich zehn Mitglieder und zwei Kinder vom Forum Jegenstorf zusammen mit Hanspeter Junker (Pächter) und Urs Wüthrich (Stiftungsrat Schloss Jegenstorf) beim unteren Schlosstor und machten sich unter der Anleitung von Beat Haller an die Arbeit. Dieser hatte die Sträucher bereits vorbereitet und in der Länge und an den Wurzeln eingekürzt. Holzpflöcke dienten zum Markieren der Fläche für die Hecke. In drei Reihen im Abstand von 1.20 m wurden Löcher gegraben, die jungen Sträucher eingepflanzt, festgedrückt und mit Wasser vom Schlosspark angegossen. Unterdessen holten die zwei Jungs mit dem Anhänger im Schlosswäldli Äste und schichteten sie zwischen den Sträuchern zu Haufen, als Versteck für allerlei Kleintiere.
Zum anschliessenden Zvieri überraschte uns Sandra Lyoth mit einem grossen Pack Apfelmost und es gab Zeit für angeregte Gespräche.


Von der Heckenrose zum Porzellan
So kamen an diesem kalten, sonnigen Novembertag 240 Sträucher in den Boden, 24 verschiedene Arten, die gleichen Pflanzenarten jeweils meist beieinander: Wildbirne, Kreuzdorn, Schwarzdorn, Wildpflaume, Heckenrose, Berberitze und viele mehr (Pflanzliste). Darunter sind die Dornensträucher für Vögel besonders wertvoll, weil sie und ihre Gelege darin vor räuberischen Kleinsäugetieren und besonders auch vor Katzen geschützt sind.

Wildhecken sind als Unterschlupf, Nahrungsquelle und Verbindungsweg ein wichtiger Lebensraum für Wildtiere. Doch auch von den Menschen wurden sie, bevor es Draht- und Elektrozäune gab, vielfältig genutzt als Weidetrennung, Holz- und Nahrungslieferantinnen. So sind sie Teil der Natur und zugleich Teil unserer Kultur. Wie auch der gesamte Schlosspark ein Zusammenspiel von Kultur und Natur ist. Und wie im Schloss innen die Natur sich in der Kultur spiegelt, auf Gemälden und Tapisserien, in historischen Texten, mit Mustern auf Porzellan und auf Kleidern, in der Musik: Naturerbe und Kulturerbe.

Natur und Kultur – bewahren, pflegen und Neues fördern und wachsen lassen.
Herzlichen Dank allen, die sich dafür einsetzen!