Autor: Patrick Baer

Hilfe aus der Luft für unsere Rehkitze

Hilfe aus der Luft für unsere Rehkitze

Jedes Jahr werden in der Schweiz in den Monaten Mai und Juni mehrere 1‘000 Rehkitze von Mähmaschinen getötet. Jetzt gibt es technologiegestützte Abhilfe.


Das grosse Handicap der nur wenige Tage alten Jungtiere ist, dass sie sich bei Gefahr instinktiv ducken, statt zu flüchten. Diese Taktik funktioniert sehr gut bei natürlichen Feinden wie Füchsen, ist aber nicht sehr ratsam bei einer Mähmaschine, die mit 40 km/h angebraust kommt. Sowohl Landwirt als Rehkitz sind dann chancenlos.

Seit mehreren Jahrzehnten organisieren sich deshalb die Jäger, um die Felder vor dem Mähen abzusuchen und gefährdete Rehkitze zu retten. Bis anhin funktioniert das in knochenharter Arbeit, indem die Felder zusammen mit Hunden abgelaufen werden. Von 2014 bis 2018 hat die Berner Fachhochschule eine Methode entwickelt, um die immer stärker aufkommenden Drohnen in diese Arbeit mit einzubeziehen: An der Drohne wird eine Wärmebildkamera montiert, die den warmen Körper des Rehkitzes im kühlen Feld erkennen kann. Mit der Drohne kann innert kürzester Zeit ein ganzes Feld abgeflogen werden, womit die Suche viel effizienter wird. Seit 2017 organisiert der Verein Rehkitzrettung Schweiz (www.rehkitzrettung.ch) die Vernetzung und die Ausbildung von Drohnenpiloten und die Weiterentwicklung von Technik und Methode. Und der Erfolg gibt dem Verein recht: Letztes Jahr konnten in der Schweiz dank Drohneneinsatz 751 Rehkitz vor der Mähmaschine gerettet werden.

Seit 2019 gibt es auch in der Umgebung von Jegenstorf einen ersten Drohnenpiloten. Dessen Beitrag im Jegenstorfer hat mich als Forums-Mitglied dazu animiert, die Pilotenausbildung diesen Winter ebenfalls zu machen und ab der bevorstehenden Saison 2020 bei der Rehkitzrettung mitzuhelfen. Ich arbeite auch beruflich mit Drohnen und möchte meine Erfahrung und auch die zur Verfügung stehenden Geräte meiner Firma für einen guten Zweck einsetzen. Die Drohne alleine reicht aber noch nicht aus. Deshalb hat das Forum Jegenstorf tief in die Taschen gegriffen, um eine für die Rehkitzrettung geeignete Wärmebildkamera zu kaufen.

Nachdem der Kurs nun abgeschlossen ist laufen in den nächsten Tagen noch letzte Tests mit dem Material. Und Anfang Mai wird es dann losgehen: die Jäger beobachten das Wild rund um unser Dorf schon den ganzen Winter und wissen, welche Felder sich die Rehgeissen gerne aussuchen für das „Setzen“, also die Geburt der Kitze. Zudem besteht in Jegenstorf ein offener und guter Austausch zwischen den Jägern und den Bauern, so dass die Rettungsteams meist rechtzeitig informiert werden, wenn die Mahd eines Feldes ansteht. Ich als Nicht-Jäger und Nicht-Landwirt bin zwar in diesen Reihen noch etwas ein Exot, kann aber hoffentlich trotzdem mithelfen, das übergeordnete Ziel zu erreichen: So viele Rehkitze wie möglich vor den Mähmaschinen retten.

Die eigentliche Arbeit der Rehkitz-Retter findet frühmorgens statt, wenn der Temperaturunterschied zwischen dem Tier und der Umgebung noch möglichst gross ist. Das heisst, dass wir vor 05 Uhr morgens in der frühen Dämmerung mit der Drohne losziehen und dann bis kurz nach Sonnenaufgang fliegen können. Die Felder werden dabei im Vorhinein erfasst und in die Drohne einprogrammiert, so dass diese das Feld in regelmässigen Bahnen selbständig abfliegt. Wird auf dem Bildschirm eine verdächtige Wärmequelle gefunden, markiert der Pilot den Punkt direkt auf dem Bildschirm. Nach dem Flug, der nur einige Minuten dauert, kann das Bodenteam gezielt diese gespeicherten Punkte absuchen. Falls es sich tatsächlich um ein Rehkitz handelt, wird dieses entweder an den Feldrand gebracht oder direkt auf dem Feld zusammen mit viel Gras in eine Harasse gelegt. Wenn der Landwirt mit Mähen fertig ist werden die Kitze wieder aus der Harasse befreit.

Für die Landwirte ist die Rehkitzsuche kostenlos – sowohl die klassische Suche mit Hunden als auch die Drohnensuche. Zuständig für die Organisation der Rehkitzrettung in der Gemeinde Jegenstorf ist der Hege-Verantwortliche des lokalen Jagd- und Wildschutzvereins, Daniel Wieland. Landwirte, die bis anhin noch nicht mit der Rehkitzsuche zu tun hatten, dieses Angebot aber künftig gerne nutzen möchten, setzen sich bitte mit ihm in Verbindung (daniel.wieland67@gmail.com).

Bericht: Patrick Baer
Fotos: Roland Blattner

Dorfrundgang

Dorfrundgang

Wie steht es in Jegenstorf um die Biodiversität? Haben Vögel, Fledermäuse, Igel und andere Lebewesen genügend Unterschlüpfe? Trifft man im Dorf auf mehr einheimische Sträucher und Bäume oder doch eher immer wieder auf Exoten?

Diesen Fragen wollten etwa 20 Jegenstorfer und Jegenstorferinnen auf den Grund gehen, als sie sich am Samstagmorgen des 26. Oktober 2019 vor dem Kirchgemeindehaus trafen. Unter sachkundiger Leitung von Beat Haller, unterstützt von Elisa Salaorni und Patrick Baer vom Forum Jegenstorf traten sie einen ca. anderthalbstündigen Spaziergang durch das Dorf an.

An der ersten Ecke, neben dem Sportplatz des Säget-Schulhauses nahm sich die Gruppe eine scheinbar kranke Hainbuche vor: Beat Haller erklärte, dass Faulstellen an abgesägten Ästen meist keinen negativen Einfluss auf die Stabilität eines Baumes haben. Solche Stellen haben jedoch einen hohen ökologischen Wert für xylobionte Arten (Holzbewohner), also beispielsweise Pilze und Insekten, die sich von abgestorbenem Holz ernähren. Zahlreiche Vögel wie der Specht ernähren sich wiederum von den im toten Holz lebenden Insekten.


Auf dem weiteren Weg via Neuholzweg in Richtung Alpenweg lernten die Naturfreunde, wie wertvoll einheimische Sträucher in einer Hecke für unsere Wildtiere sind. In den Dornensträuchern (z. B. Heckenrose, Schwarzdorn) einer Hecke können sich beispielsweise Vögel besser vor Mardern oder auch vor den Hauskatzen verstecken. Beerensträucher (z. B. gemeiner Schneeball) bieten wiederum Nahrung für Vögel und Wildbienen bis weit in den Winter hinein, was Ziersträucher wie Thuja oder Forsythie nicht tun. Ebenso wichtig als Nahrung im Winter ist der Efeu, welcher als eine der ganz wenigen Kletterpflanzen im Spätherbst/Winter blüht und so in dieser nahrungsarmen Saison vielen Insekten noch etwas bietet.

Am Alpenweg wandten sich die Blicke in Richtung Norden auf die offene Ackerlandschaft, welche von einer gut gepflegten Hecke strukturiert wird. Hier erklärte Beat Haller, wie wichtig solche Elemente in der Landschaft für die Fledermäuse sind. Diese orientieren sich auf ihren Jagdflügen an solchen Strukturen. Fehlen diese Geländeunebenheiten, befinden sich die Fledermäuse im Blindflug und können nicht mehr weiter auf die offene Fläche hinaus fliegen.

Mit Blick auf einige neu sanierte Häuser in den Quartieren fiel den Spaziergängern auf, dass diese top isolierten Gebäude zwar sehr viel Heizenergie sparen, aber den Vögeln und Fledermäusen keine Unterschlupfmöglichkeiten mehr anbieten. Mit kleinen Massnahmen, wie entsprechenden Dachvorsprüngen oder geeigneten Nistkästen, könnte dieses Defizit jedoch problemlos wettgemacht werden.

Am gleichen Standort mit Blick auf die intensive Landwirtschaft diskutierte die Gruppe auch die Problematik der jährlich mehrere Tausend vermähter Rehkitze. Der Verein ‹Rehkitzrettung Schweiz› bildet seit einigen Jahren Drohnen-Piloten aus, welche mit einer Wärmebildkamera nach den in den Feldern versteckten Tiere suchen und sie vor der Mähmaschine in Sicherheit bringen. Patrick Baer vom Forum Jegenstorf wird diese Ausbildung im Frühling 2020 besuchen, damit er interessierte Bauern und Bäuerinnen in der Region Jegenstorf bei der Rehkitzsuche und -rettung unterstützen kann.

Beim Spielplatz Stampfimatt diskutierte die Gruppe über die Vorteile einer naturnahen Gestaltung von Kinderspielplätzen. Naturmaterialien wie Kies, Steine, Sand oder aus Weidenstecklingen gefertigte Hütten bieten viel mehr Erfahrungswert als synthetische Matten, Beton und „Katalog-Spielgeräte“. Ganz nebenbei bieten sie auch Lebensraum für Insekten und Kleintiere, die die Kinder entdecken und beobachten können.

Als Abschluss führte die Exkursion zu den Obstbäumen in der Grube beim Feuerwehrdepot. Die Gruppe erfuhr, wie wertvoll solche Hochstammbäume für viele Tierarten sind. Obstgärten bieten aufgrund der Grösse und Langlebigkeit ihrer Bäume wertvolle Lebensräume für viele Vögel, Insekten und Schmetterlinge. Baumhöhlen stellen Unterschlupfmöglichkeiten für Siebenschläfer und Fledermäuse dar.

Der Spaziergang durch das Dorf zeigte sehr erfreuliche Strukturen innerhalb von Jegenstorf, doch wurden auch zahlreiche Standorte entdeckt, bei denen eine ökologische Aufwertung mit geringem Aufwand einen grossen zusätzlichen Nutzen für die Artenvielfalt bieten kann.

Bericht: Patrick Baer
Bilder: Roland Blattner